Kairo/Frankfurt am Main. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) berichtet, bereitet der Menschenrechtsausschuss des islamistisch dominierten ägyptischen Parlaments einen Bericht und eine Stellungsnahme zur Vertreibung der acht koptischen Familien aus dem Dorf Sharbat nahe Alexandria vor. Das Ergebnis der Untersuchungen wird auch als Vorzeichen dafür gesehen, wie das Parlament in Zukunft mit Streitigkeiten zwischen den Religionsgemeinschaften umgehen wird.
Nach Angaben der IGFM eskalierte Ende Januar im Dorf Sharbat ein Streit aufgrund von Gerüchten über eine angebliche sexuelle Beziehung zwischen einem Christen und einer Muslimin. Es gab zahlreiche Angriffe auf koptische Häuser und Geschäfte durch muslimische Dorfbewohner. Die Sicherheit der Kopten im Dorf konnte nach Angaben der örtlichen Polizei nicht mehr garantiert werden. Daraufhin trat ein Ältestenrat in Anwesenheit der Polizei zusammen und beschloss, dass die koptischen Familien aus ihrer ägyptischen Heimat auszuweisen seien und ihr Besitz verkauft werden müsste.
Bereits am 7. Februar stellte Dr. Emad Gad, koptisches Mitglied des ägyptischen Parlaments, einen dringenden Antrag an den Sprecher des ägyptischen Parlaments Saad al-Katatny, den Vorfall zu untersuchen. Obwohl 22 liberale Mitglieder des Parlaments den Antrag unterzeichnet hatten, wurde er von al-Katatny, der der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der Muslimbrüder angehört, zunächst ignoriert. Schließlich wurde diese Woche ein dem Menschenrechtsausschuss des ägyptischen Parlaments angehöriger Untersuchungsausschuss gegründet. Nach Aussage von Dr. Gad werde sich al-Katatny an die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses halten.
IGFM: Erneute Angriffe schüren Zukunftsängste der Kopten. Obwohl Angehörige der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei immer wieder beteuern, dass ihr Glaube und die ägyptische Verfassung sie dazu zwingen, die Rechte der Kopten zu wahren, schüren die verstärkten Angriffe auf deren Kirchen und Häuser die Zukunftsängste der größten religiösen Minderheit Ägyptens. Nach Angabe der IGFM wurde gestern die Kirche von St. Mary und St. Abram in Meet Bashar in der Provinz Sharqia von radikalen Salafisten angegriffen, die das Pfarrhaus, mehrere Häuser und Autos in Brand steckten. Auslöser der Unruhen war das Verschwinden von Rania Khalil, einer 14jährigen Koptin, deren Vater zum Islam übergetreten war und für sie angeblich eine Hochzeit mit einem muslimischen Mann arrangiert hatte.
Die IGFM verurteilt die erneuten Angriffe auf die koptische Minderheit und kritisiert das Vorgehen der ägyptischen Behörden scharf. „Streitigkeiten zwischen Religionsgemeinschaften werden in Ägypten oft durch informelle Vermittlungsgespräche und ohne rechtliche Grundlagen geregelt, mit dem Resultat, dass die Kopten benachteiligt werden“, so IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin. „Weder nach ägyptischem noch nach internationalem Recht ist es zulässig, Menschen aus ihrem Heimatort zu vertreiben. Die Entscheidung, die koptischen Familien auszusiedeln, verdeutlicht die Unfähigkeit der lokalen Behörden, für die Sicherheit der Dorfbewohner zu sorgen. Sie steht im eklatantem Widerspruch zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die in Artikel 13 das Recht auf Freizügigkeit und in Artikel 15 das Recht auf Staatsangehörigkeit garantiert“, so Lessenthin. >>>Weitere Informationen zur Menschenrechtslage in Ägypten
>>>Facebook-Seite der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte