Über die fortdauernde Gültigkeit des missionarischen Auftrags der Kirche schrieb Johannes Paul II in der Enzyklika „Redemptoris Missio“ vom 7. 12. 1990. Hier ein Auszug:
»Wir können nicht schweigen« (Apg 4, 20)
Was ist nun bezüglich der schon erwähnten Einwende gegen die Mission ad gentes zu sagen? Bei aller Achtung für andere Überzeugungen und andere Auffassungen müssen wir vor allem, ohne Überheblichkeit, unseren Glauben an Christus,den alleinigen Erlöser der Menschen, zum Ausdruck bringen; den Glauben, den wir ohne irgendein Verdienst unsererseits von oben empfangen haben. Wir sagen mit Paulus: »Ich schäme mich des Evangeliums nicht: es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt« (Röm 1, 16). Die christlichen Glaubenszeugen aller Zeiten – auch unserer Zeit – gaben und geben ihr Leben, um diesen Glauben vor den Menschen zu bekennen, aus der Überzeugung heraus, dass jeder Mensch Jesus Christus braucht, der die Sünde und den Tod besiegt und die Menschen mit Gott versöhnt hat.
Christus hat sich als Sohn Gottes bezeichnet, der in enger Verbindung mit dem Vater als solcher von den Jüngern anerkannt wurde und sein Wort durch Wunder und durch die Auferstehung von den Toten als wahr erwiesen hat. Die Kirche bietet den Menschen das Evangelium an, ein prophetisches Dokument, das Antworten gibt auf die Fragen und Anliegen des Menschenherzens und immer »gute Nachricht« ist. Die Kirche kann nicht davon Abstand nehmen zu verkünden, dass Jesus gekommen ist, um das Antlitz Gottes zu offenbaren und durch Kreuz und Auferstehung für alle Menschen das Heil zu verdienen.
Auf die Frage warum Mission? antworten wir mit dem Glauben und der Erfahrung der Kirche: sich der Liebe Christi öffnen bedeutet wahre Befreiung. In ihm, und in ihm allein, werden wir befreit von jeder Entfremdung und Verirrung, von der Sklaverei, die uns der Macht der Sünde und des Todes unterwirft. Christus ist wahrhaft »unser Friede« (Eph 2, 14), und »die Liebe Christi drängt uns« (2 Kor 5,14), die unserem Leben Sinn und Freude gibt. Die Mission ist eine Frage des Glaubens, sie ist ein unbestechlicher Gradmesser unseres Glaubens an Christus und seine Liebe zu uns.
Die Versuchung heute besteht darin, das Christentum auf eine rein menschliche Weisheit zu reduzieren, gleichsam als Lehre des guten Lebens. In einer stark säkularisierten Welt ist »nach und nach eine Säkularisierung des Heiles« eingetreten, für die man gewiss zugunsten des Menschen kämpft, aber eines Menschen, der halbiert und allein auf die horizontale Dimension beschränkt ist. Wir unsererseits wissen, dass Jesus gekommen ist, um das umfassende Heil zu bringen, das den ganzen Menschen und alle Menschen erfassen soll, um die wunderbaren Horizonte der göttlichen Kindschaft zu erschließen.
Warum Mission? Weil uns, wie dem heiligen Paulus, »die Gnade geschenkt wurde, den Heiden den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen« (Eph 3, 8). Das neue Leben in ihm ist die »gute Nachricht« für den Menschen aller Zeiten: alle Menschen sind dazu gerufen und dazu bestimmt. Alle suchen es in der Tat, wenn auch manchmal verschwommen, und haben das Recht, die Bedeutung eines solchen Geschenkes kennenzulernen und es zu erlangen. Die Kirche, und in ihr jeder Christ, kann dieses neue Leben und dessen Reichtum weder verbergen noch für sich allein zurückhalten, da dies alles von der göttlichen Güte gegeben wurde, um allen Menschen mitgeteilt zu werden.
Über den äußeren Auftrag des Herrn hinaus steht zugunsten der Mission auch das tiefe Bedürfnis des Lebens Gottes in uns. Jene, die in die katholische Kirche eingegliedert sind, können sich als bevorzugt empfinden, sind deswegen aber gleichzeitig um so mehr verpflichtet, den Glauben und das christliche Leben zu bezeugen als Dienst an den Brüdern und schuldige Antwort an Gott, eingedenk dessen, »dass ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil.«